Um eine der Hauptattraktionen Perus, Machu Picchu, sehen zu können, begeben sich die Massen nach Cusco, um dann per Zug nach Aguas Calientes zu fahren und dann per Bus zum Hauptziel zu gelangen. Es gibt allerdings auch eine Alternative: Irgendwie nach Santa Teresa und dann per Zug oder zu Fuß nach Aguas Calientes. Von da ab befindet man sich wieder im Touristenstrom, aber bis dahin ist es deutlich ruhiger (und günstiger) als via Cusco. Dieser Weg wird auch als „Backdoor zu Machu Picchu“ bezeichnet, was genau betrachtet falsch ist, da man letztlich nur zum Ort vor Machu Picchu eine Alternative wählt. Daher gestalte ich diesen Pfad noch etwas alternativer und streiche sämtliche touristischen Elemente, wie befestigte Wege oder Brücken und fertig ist ein schweißtreibender Abenteuertrip, wie man ihn sich nur unter schwerem Alkoholeinfluss erträumt.
Es geht erst einmal lange auf asphaltierten Straßen voran, dann entlang tiefen Schluchten in eine Landschaft mit riesigen Tierherden. Die Berge werden immer höher und die Straßen immer schlechter.
Die Bäche und Wasserfälle laufen direkt über die Wege und nehmen im Laufe der Zeit Teile des Weges mit sich. Die meisten Wasserläufe durchquert man ohne große Probleme, aber es gibt Einzelne, die so tief sind, dass beide Zylinder unter Wasser geraten und man Schwierigkeiten hat wieder heraus zu kommen. In einem dieser Bäche bleibt ein mittelgroßer LKW beim Versuch herauszufahren hängen. Eine Stunde lang schaufeln wir zu dritt Steine und Geröll zu Seite, bis der LKW endlich loskommt. Währenddessen schauen uns fünf Einheimische aus ihrem Jeep zu, wie wir ihnen den Weg durch den Bach frei räumen, ohne scheinbar einen Gedanken zu verlieren, uns zu helfen. Hilfsbereitschaft selbst entlegen in den Bergen scheint hier anders definiert zu sein. Wenig später lege ich meine Maschine auf die Seite beim Versuch aus einem anderen Bachlauf herauszukommen. Zwei junge Männer kommen vorbei und brauchen ne zeitlang sich überreden zu lassen, mir zu helfen. Letztlich war die Erkenntnis, dass sie nicht weiter kommen, bis meine Maschine aus dem Weg geräumt ist, der ausschlaggebende Punkt.
Irgendwann kurz vor Santa Teresa halte ich an, da ein Motorradreisender aus Kanada am Wegesrand steht mit aufgebockter Maschine und herausgelegtem Werkzeug. Aber es ist ein planmäßiger Stopp, da er einfach nur seine Kette ölen will. Dabei fällt ihm dann allerdings auf, dass bei meiner Maschine etwas fehlt: Meine GoPro. Also umdrehen und entlang des Abgrunds nach einer kleinen Kamera suchen…und tatsächlich finde ich sie!
In Santa Teresa geht’s dann zur etwas entfernten Zugstation Hidroelectrica, wo man dann schön klassisch per Diesellok nach Aguas Calientes gebracht wird. Den Abend in der Stadt ohne Straßenverkehr (es gibt nur Busse, die einen zu Machu Picchu bringen), verbringe ich in entspannter Ruhe. Am nächsten Morgen geht es noch vor Sonnenaufgang zur überlaufenen Busstation und dann letztlich zum Machu Picchu. Eine gewisse Enttäuschung macht sich unter den hunderten von Touristen breit, wenn man dort früh morgens ankommt: Man sieht einfach nix. Das gesamte Gelände ist vom Nebel eingehüllt…nichts Ungewöhnliches zu dieser Uhrzeit. Aber dafür sieht man halt auch kaum Touristen. Knapp zwei Stunden später reißt die Nebeldecke etwas auf und es ist Zeit für die klassischen Bilder in der alten Inkastadt. Selbst einzelne Lamas schauen interessiert, was denn die Touristenmassen hier so bestaunen.
Zurück geht es dann zu Fuß den Bahngleisen entlang nach Santa Teresa, wo meine Maschine verbleiben musste. Noch ne Stippvisite in Cusco und weiter geht’s zum Titicacasee, wo ich auf peruanischer Seite die bewohnten, künstlichen, schwimmenden Inseln aus Schilf besuche, dann wagemutig mit einem alten Holzkahn über einen Teil des Sees und auf bolivianischer Seite zur Sonneninsel.
La Paz nutze ich lediglich als Übernachtungsstation bevor es zur Salzwüste geht. Wieder einmal interessiert mich der touristische Pfad (Überraschung!) wenig… und steuere den Vulkan Tunupa an im Norden der Salzwüste…und inmitten einer Vorwüste, die natürlich so gut wie niemand erwähnt. Anstatt festem Salzboden findet man da schön glitschigen, klebrigen Schlamm. Toll das. Ich merke es eigentlich nur, da das Hinterrad immer öfter auf Abwegen geht. Irgendwann halte ich an, um nachzusehen, was denn nicht stimmt. Kaum steige ich ab, muss ich mich selbst an der Maschine festhalten, da ich einfach nur wegrutsche.
Die Entscheidung zur Umkehr ist dann doch recht bald getroffen, aber zum Glück finde ich dann doch noch eine trockene Passage bis nach Jirira, wo ich bei einer Familie unterkomme. Obwohl ich beim Essensplan nicht wirklich vorgesehen war, bekomme ich eine ordentliche Portion zu Abend. Den Sonnenuntergang schaue ich mir von der Salzwüste an, durch die es am nächsten Morgen ganz allein dann auf nahezu kompletter Breite geht. Die Stimmung ist unbeschreiblich in dieser Landschaft, die auch auf einem anderen Planeten sein könnte.
Erst zum Schluss treffe ich auf andere Menschen, letztlich Touristen, die sich am „Playa Blanca Salt Hotel“ jeweils an den unzähligen Flaggen ihre Heimatflagge heraussuchen, um ein Erinnerungsfoto zu machen. Na gut, da sich das Beast ordentlich geschlagen hat, darf es an dem Prozedere auch teilhaben. Aber auf die Frage „welches Flägglein darf’s denn sein?“, brummt sie nur „egal – bin überall zu Hause“. Das nenn ich mal weltmännisch. Entsprechend gibt’s dann das Erinnerungsfoto mit allen Flaggen.
So, jetzt nur noch raus aus dieser Wunderwelt und weiter Richtung Chile. Die Salzwüste bietet entgegen der Erwartungen, wenn man „Wüste“ hört sehr viel Wasser. Viele, die sie nur von Südosten her besuchen nennen sie auch einfach nur „Salzsee“, denn zum Schluss geht’s eigentlich nur durch Wasser. Ich schaue mir die Routen der Geländewägen an, um den besten Weg mit dem Motorrad zu wählen. Da ruft mir ein Einheimischer von seinem Jeep aus zu, dass ich auf gar keinen Fall dort lang fahren soll. Stattdessen soll ich einen Weg am Rand nehmen, der zwar nicht so nass aussieht, aber dafür schlammig. Nicht mein Favorit…aber überall heißt es, man soll auf die Einheimischen hören, was ich eigentlich viel zu selten mache. Egal…jetzt ist doch ein guter Zeitpunkt, sich zu bessern…und eines besseren belehrt zu werden: Ich bleibe keine drei Meter später vollkommen stecken. Die Maschine sinkt so tief ein, dass ich sie auch nicht mit sämtlichen Tricks frei bekomme. Der Einheimische kommt zu mir, lacht und verschwindet. Danke. Für nichts. Aber zum Glück brauche ich nicht lange auf echte Hilfe warten. Ein anderer Geländewagen mit einem Touristenführer und einem englischen Paar kommt vorbei und zieht mich heraus. Noch bevor ich fragen konnte, wie sie heißen, waren sie auch schon wieder weg. Nochmals danke an die unbekannten Hilfeleistenden!
In Uyuni tanke ich nochmal voll und erbitte bei einer Baustelle für ein paar Minuten den Wasserschlauch, um das Beast von der Salzkruste zu befreien. Weiter geht’s auf einsamer Strecke nach Chile, wo ich das erste Mal überhaupt mein Gepäck bei der Grenzkontrolle öffnen muss. Voller Erstaunen stelle ich fest, dass es in der Ortschaft an der Grenze keine Tankstelle gibt sondern erst 200km weiter. Das wird aber mit meiner Restreichweite (inklusive Ersatzkanister) von 120km aber knapp. Ein wenig rumfragen und schon lernt man, dass in den ländlichen Regionen oft Benzin von der Gemeinde selbst oder von Gasthäusern verkauft wird. Gut…zum doppelten Preis als bei den städtischen Tankstellen, aber das ist nun mal bei einem Monopol so: Es gibt keinen Preiskampf. Zumindest komme ich bis in die nächste Stadt und genieße die unglaubliche Landschaft, in der ich mich wohl allein befinde.
In der Stadt angekommen, suche ich den nächsten Geldautomaten, um mich mit Bargeld einzudecken. Scheint hier ein Tauschgeschäft zu sein: Kreditkarte gegen Bargeld. Ich bekomme zwar die Scheine, aber die Plastikkarte wird einbehalten. Uncool, wenn man noch knapp nen Monat in fremden Landen hat. Der Kundenservice der Bank ist überfordert und sagt letztlich, ich solle einfach die nächsten Tage hier verbleiben, bis jemand die Karte aus dem Automaten holt. Nun, ich hab da ne bessere Idee: Ihr holt die Karte und schickt sie zu einer Filiale nach Santiago. Die Challenge wird zwar angenommen, aber bis kurz vor Abreise erhalte ich die Kreditkarte nicht zurück.
Unterwegs nach Santiago treffe ich auf Dave, den ich Wochen zuvor in Panama City beim BMW Händler antraf. Er ist ebenfalls allein mit dem Motorrad nach Ushuaia unterwegs, aber zumindest für die nächsten anderthalb Tage fahren wir zusammen einen Teil der Strecke. Eine nette Abwechslung, wenn man das soeben Erlebte nochmal bei einem Kaffee nacherleben kann. Während ich mich schnell Richtung Santiago orientiere, um dann alsbald die Anden zu überqueren, zieht es ihn an die Küste, um noch etwas Meeresluft zu schnuppern. Weiterhin gute Fahrt! Wir sehen uns bestimmt auf dem Weg nach Feuerland.
Santiago de Chile überrascht mich äußerst positiv. Kein stickiger, lärmender Verkehr, wie ich es in anderen Großstädten Südamerikas erlebt habe. Stattdessen geht es relativ ruhig und zivilisiert zu. Ansonsten erinnert auch das Stadtleben sehr an manche Städte Europas: Es gibt viele Museen, viele Straßencafés, viele Radfahrer, einige Fahrradstreifen, viele grüne Parks mit Leuten, die darin spazieren oder … tanzen… ok, eher untypisch für Europa. Es sind auch keine Standard- oder lateinamerikanischen Tänze, sondern kleine Gruppen von Jugendlichen treffen sich, um gemeinsam zu einem aktuell angesagten Lied eine Choreographie einzuüben und zu tanzen. Mehrere Gruppen tanzen so zu unterschiedlicher Musik nebeneinander…und immer mindestens einer, der das Dargebrachte aufnimmt und sicherlich Momente später ins Internet stellt. Naja, solange ich nicht mittanzen muss. Santiago ist definitiv eine Stadt, wo man länger bleiben kann.
Hallo Christian,
hier ist Nicki. Du hast Moe und mich auf dem Campingplatz in Malargüe getroffen.
Auf deinem Tracking habe ich gerade gesehen, dass ihr es tatsächlich bis nach Ushuaia geschafft habt – ihr Schluris, wie verrückt ist das denn?! Sehr tapfer, Respekt!!!
Schöne, unterhaltsame Schreibe und tolle Videos, da muss ich mich jetzt von hinten nach vorne durcharbeiten :). Alles Gute für die verbleibende Zeit!
Und liebe Grüße aus Santiago
Ja, es war zwar ein ziemlicher Höllenritt mit Schnee und Eis, aber letztlich: Geschafft!
Auf dem Weg nach Norden sollte es eigentlich wärmer werden, aber bislang hielten sich die Minusgrade. Es ist echt schattig…aber hoffentlich wird es in Buenos Aires deutlich wärmer!
Sobald ich wieder etwas mehr Zeit habe, schaue ich bei Eurem Blog vorbei…aktuell stehen täglich knapp 1.000km an…etwas stressig zum Schluss, aber gehört wohl zum Abenteuer.
Euch alles Gute bei Eurer Reise!