Etappe 5: Santiago – Mendoza – Mallargüe – Bariloche – El Calafate – Ushuaia – Bueonos Aires – Montevideo: Bis ans Ende der Welt…und weiter

Bevor der Winter in den Anden einbricht, will ich über den 3.200 m hohen „Paso de los Libertadores“ nach Argentinien fahren. Auf Platz 25 der „tödlichsten Straßen der Welt“ kommt es tatsächlich in einer Haarnadelkurve zu einem Malheur.

Mit moderater Geschwindigkeit fahre ich einem LKW hinterher und plane für den Serpentinenausgang ein Überholmanöver. Die Maschine lässt sich wie nix in die Kurve fallen und Gas und … nix. Anstatt dass sie beschleunigt und sich wieder aufrichten lässt, bin ich immer noch in Schräglage und werde langsamer…bis mir auffällt, dass die Maschine nur noch rutscht. Kaum zum Stillstand gekommen, steige ich ab und frage mich, was überhaupt passiert ist. Lastwagenfahrer von entgegen kommenden LKWs eilen mir auch schon entgegen und wollen helfen, das Motorrad wieder aufzurichten. Aus den Laufschritten werden elegantes Gleiten…und ich sehe, dass die gesamte rechte Fahrspur unter einer einzigen Ölschicht liegt. Das Aufrichten wird dann auch entsprechend schwierig, da niemand wirklich fest stehen kann. Wir ziehen die Maschine auf die gegenüberliegende Fahrspur, richten sie dann auf und weiter geht’s. Sanftes Wegrutschen auf Öl…hatte ich auch noch nicht. Zum Glück ging‘s nicht einem Abhang runter, somit alles gut. Mit etwas Respekt geht’s dann die nächsten 300km über den Bergpass. Die Nummer 25 der tödlichsten Straßen verbreitet anstatt Furcht einfach nur Freude über das wunderschöne Bergpanorama.


Bei sommerlichen Temperaturen geht es nach Mendoza, die Weinhauptstadt Argentiniens. Mit nem edlen Tropfen aus der Region lasse ich den Tag ausklingen.
Am nächsten Tag soll es auf der argentinischen Variante der Route 66, hier die Ruta 40, Richtung Süden gehen. Sie beginnt eigentlich deutlich weiter nördlich, zieht entlang der Anden und geht bis kurz vor Beginn von Feuerland. Mit über 5.300 km hat sie nicht nur landschaftlich einiges zu bieten, sondern wie es sich für solch eine lange Straße in Südamerika ziemt, bietet sie sämtliche Fahrbahnzustände, die es so gibt: Von makellosem Asphalt über Schotter bis hin zu reinem Sand. Besonders toll, wenn sich der Sand auf einem Gefälle befindet und dann noch nass ist. Nachts. Da lernt man, ruhig auf der Maschine zu sitzen während der Popometer die kleinsten Zuckungen der Reifen versucht richtig einzuschätzen.


Der nächste Stopp ist auf dem Campingplatz von Mallargüe. Dort sehe ich ein weiteres Reisemotorrad. Keine Frage, dass das Zelt gleich auf dem Nachbarplatz aufgestellt wird, denn neben anderen Motorradreisenden kann einem nix passieren. In diesem Fall sind es Nicki und Moe aus Deutschland. Sie haben glücklicherweise deutlich mehr Zeit für ihre Tour. Schaut mal vorbei auf deren Seite www.moppedhiker.de
Nach Austausch von ein paar Tipps, soll es dann auch weiter gehen, aber bei der nächsten immer wiederkehrenden Polizeikontrolle werde ich nach der Aduana (temporäre Registrierung) für das Motorrad gefragt. Eigentlich kein Thema, denn die bekommt man immer beim Grenzübertritt. Allerdings gab mir der Grenzbeamte nur irgendeinen Zettel und nicht die Aduana. Wie sich dann herausstellte, hat er das Motorrad überhaupt nicht ins System eingetragen. Na, so lernt man dann auch mal ein Polizeirevier von innen kennen. Nach ner Stunde geht’s dann endlich weiter Richtung Patagonien. Darauf habe ich mich schon lange gefreut! In Bariloche bekomme ich dann auch den ersten typischen Eindruck dieser vielfältigen Landschaft. Berge, Seen, weite Felder und riesige Wälder in oft wechselndem Licht.






Eigentlich sollte man regelmäßig anhalten, die Wanderschuhe auspacken und die Berge erklimmen, nur dafür fehlt mir die Zeit. Argentinien im Allgemeinen und Patagonien im Speziellen kann man jahrelang bereisen, so vielfältig und riesig ist das Land. Im südamerikanischen Herbst sind deutlich weniger Touristen unterwegs, als im Frühling oder Sommer. Deutlich kühler ist es und die Gefahr, von Schnee heimgesucht zu werden, ist definitiv gegeben. Mich wird es zum Ende der Etappe auch entsprechend erwischen, aber der Herbst hat definitiv seine Vorzüge: Zum einen, wie schon erwähnt, deutlich weniger Touristen, was man bei den typischen Anlaufstellen wie Nationalparks sehr schnell bemerkt und zum anderen zaubert der Herbst, ähnlich eines „Indian Summer“, phantastische Farben in die Landschaft.
In El Calafate angekommen, geht’s gleich zum Perito Moreno Nationalpark, wo man aus unterschiedlichsten Positionen den riesigen, gleichnamigen Gletscher betrachten kann, der in den See Argentino reicht.



Die weiteren knapp 900 km nach Ushuaia sind leider von schlechtem Wetter geprägt. Das erste Mal überhaupt für mehrere Tage, wenn ich unterwegs war. Am Anfang ist es nur Nebel, dann Regen und dann Sturm. Letzteres verhindert, dass ich mit der Fähre nach Feuerland fahren kann. Abends an der Fährstation angekommen, geht es erst am nächsten Morgen weiter. Ein Trucker, Marcello, bietet kurzerhand seine Schlafkojüte an, damit ich die Nacht nicht bei Sturm und Regen draußen verbringen muss. Weiter geht’s am nächsten Morgen windstill und bei Sonnenschein, aber dafür um einige Grad kälter als zuvor. Entsprechend warnen mich entgegen kommende Fahrer, dass es vereinzelt Schnee und Eis auf der Straße gibt.




Tatsächlich betrifft es dann nur ein paar Kilometer, aber insgesamt bin ich langsamer unterwegs als geplant: Regelmäßig muss ich mich trotz sämtlicher warmen Klamotten durch Tanzen aufwärmen. Die feuchte kalte Luft zieht einfach die Wärme aus‘m Körper. Aber irgendwann ist es geschafft und ich habe das von Beginn an auserkorene Ziel erreicht: Ushuaia! Die südlichste Stadt der Welt.




Tags drauf geht es dann noch bis ans „Ende der Straßen“ und per Boot noch zu kleinen Inseln mit Seelöwen.
Ein Reisender unterwegs meinte zu mir, dass die ganze Region eher langweilig wäre und ich es ruhig auslassen könnte…diese Meinung kann ich in keinster Weise teilen. Die Berge, die Farbe des Meeres und die Landschaft sind faszinierend!





Würde nicht mein Rückflug von Montevideo aus in ein paar Tagen feststehen, ich würde glatt länger hier bleiben. Aber die Pflicht ruft und entsprechend setze ich mich wieder auf die Maschine, um die letzten 3.000 km der Tour anzugehen. Es sollten die langweiligsten der gesamten Tour werden. Wer auch immer vor hat zwischen Buenos Aires und Ushuaia zu fahren: Meidet Ruta 3! Es gibt nichts Eintönigeres als diese Strecke. Tagelang nur geradeaus mit ebener Sandlandschaft, übersät mit kleinen Sträuchern. Man könnte manchmal meinen, es wäre wie bei „Täglich grüßt das Murmeltier“ und man beginnt den neuen Tag an der Stelle vom Tag zuvor. Gottseidank löst sich irgendwann der Flickstopfen von der Reifenreparatur aus Kolumbien und ich hab nen Platten…und wie man es in der Pampa erwarten darf: Weit und breit keine Werkstatt. Dafür aber Willi, ein Trucker, der mir tags zuvor schon beim „Tanzen“ auf der Straße zusah (es hätte zwischenzeitlich -10°C) und spontan heißen Mate anbot. Kurzerhand schnallt er die Maschine auf den leeren Lader und bringt mich bis zu ner Ortschaft, wo der Reifen geflickt werden kann. Ich verpasse nur ein paar Stunden auf der langweiligen Ruta 3 durch die Pampa und bin fast untröstlich.

Mit gerichtetem Reifen geht’s dann wieder selbst zum Finale: Nur noch anderthalb Tage Fahrt bis nach Buenos Aires aber bei warmen Temperaturen und Sonnenschein. Ein schöner Abschluss auch für das Beast, denn es gilt jetzt ein Leben für sie nach der Tour zu finden. Das ist alles andere als einfach, da die Gesetze in Argentinien den Verkauf ausländischer, gebrauchter Fahrzeuge stark reglementieren. Entsprechend hoch sind die Preise für gebrauchte Motorräder. Das ist ja ganz gut, aber nahezu sämtliche Interessenten springen aus Furcht vor dem Bürokratiewahnsinn mit der Zeit ab. Doch per Container nach Hause? Oder hier einlagern? Lange hadere ich. Sicherlich wäre es klasse, wenn man die Möglichkeit hat, weiterhin in Südamerika per Motorrad zu reisen, aber alle drei Monate rüberfliegen (das ist die Maximalgültigkeit der Aduana) ist auf Dauer keine Lösung. Container ist auch nicht trivial. Die Zeit läuft mir etwas davon, aber dann bekomm ich per Zufall den Kontakt von einem Motorradfahrer, Petro, der wohl schon öfter das Prozedere der Zulassung ausländischer Gebrauchtmotorräder hinter sich gebracht hat. Er zeigt auch gleich Interesse und das Schicksal vom Beast ist beschlossen: Anstatt monatelang rumzustehen, geht sie weiter auf Abenteuertouren…und die Krönung: Petro bietet mir an, wenn ich wieder nach Argentinien zum Motorradfahren komme, dann hat er Eine für mich. Der Abschied fällt damit um einiges leichter, wenn auch etwas Wehmut übrig bleibt. Sie hat‘s mir bestimmt nicht immer leicht gemacht und bis zum Schluss war sie auch ne Diva, aber sie ließ mich nie im Stich und hat mich durch die unmöglichsten Streckenabschnitte, sei es mit Sand, mit Schlamm, mit Beidem, bei brütender Hitze oder mit Eis, mit Schnee bei tiefsten Temperaturen immer sicher gebracht. Die beiden Wegrutscher rechne ich nicht ihr zu. Daher: Weiterhin tolle Abenteuer und viele weitere tausend Kilometer! Und wenn ihr auf den Straßen Südamerikas eine R1200GS mit ordentlich Abenteuerspuren seht, dann linke Hand zum Gruß! …es könnte das Beast sein! Sie beißt nicht…sie will nur spielen.

Den Rest des Tages gönne ich mir Buenos Aires in vollen Zügen. Die Stadt hat es mir mit ihren alten Gebäuden, den überaus freundlichen Menschen und dem vielfältigen Vierteln angetan. Hierher komme ich bestimmt nochmal!




Da der Heimflug von Montevideo aus geht, setze ich per Katamaran über. Es ist langes Wochenende und die Stadt ist nahezu leer. Dadurch gewinne ich leider keinen echten Eindruck von der Stadt.



Zufälligerweise laufe ich in den Schweigemarsch für die Vermissten aus der Diktaturzeit zwischen 1974 und 1983 hinein. Beeindruckend.
Der letzte Tag kann kaum schöner sein: Sonnenschein und sommerliche Temperaturen. Endlich mal durchschnaufen…und kurz darauf mit meinem ganzen Gepäck inklusive Motorradkleidung und Helm einchecken und zurück nach Seattle fliegen.

Dort geht es dann auch gleich weiter mit Packen, denn ich habe nicht nur das Abenteuer Panamericana erfolgreich beendet, sondern auch das Abenteuer Seattle ist nun vorbei.

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