Etappe 1: Los geht’s: Seattle – Bellingham – Ketchikan – Juneau: Ich lass mich treiben

Jetzt ist es soweit: Endlich geht es los! Noch die letzten kleinen Umbaumaßnahmen am Motorrad vornehmen und die spartanisch aufgestellte Packliste nochmal durchgehen: Sonnenbrille, Badehose, Sonnencreme…Moment mal…es geht ja nicht in die Karibik sondern nach Alaska…wo war die Alaska-Packliste? …achja…Axt, Flinte, Bärenfalle…klingt schon passender…wunderbar! Hab ich alles nicht. Soll ja ein Abenteuer werden. Ansonsten wäre es ja trivial. Aber der Mückenspray muss mit. Die kleinen Biester können einem echt den Tag vermiesen. Und los geht’s.

Der Beginn der Reise soll mit ein paar schönen Straßenabschnitten von Seattle nach Bellingham, von wo die Fähre nach Alaska startet, verfeinert werden. Bewaffnet mit einer Butlers Karte, in denen die Strecken farblich nach Attraktivität bewertet sind, werf ich mich in den eigensinnigen Seattle-Wochenendverkehr. Was könnte es Schöneres geben? Wurzelbehandlung!? Sandalen mit Socken!? Jo, alles schöner. Egal, nach ein paar Kilometern Stadtverkehr geht es an Seen vorbei, Berge entlang, um in irgendwelchen Sackgassen zu enden, die laut Karte äußerst attraktiv weitergehen (den Felsen hinab!?). Tatsächlich entdecke ich aber doch so manche kleine Traumstrecke unweit von Seattle, die ich nie erahnt hätte. Für nen Start mehr als hervorragend. Am Fährhafen angekommen, gibt es als Motorradfahrer zwei Optionen: Als Erster oder als Letzter rauf. Die Wahl trifft aber immer der Lademeister. Überrascht stelle ich fest, dass es neben mir nur noch einen weiteren Motorradfahrer auf der Fähre geben wird. Ich ging von einer ganzen Armada aus. Der Lademeister tut sich bei der Entscheidung sichtlich schwer und schickt den anderen Motorradfahrer sofort rauf, während ich als Allerletzter auf die Fähre darf.

Das hat auch was Gutes: Die besten Plätze auf dem Deck zum Übernachten sind dann bereits vergeben und ich stehe somit nicht mehr vor der Qual der Wahl, sondern nehme das, was noch übrig ist: Einen zerbrochenen Liegestuhl zwischen schnatternden Endsechziger, die sich im Wettbewerb befinden, wer die meisten körperlichen Gebrechen hat. Dafür meinte es der Wettergott gut mit mir: Er schickt ne Kaltfront mit starken Windböen und leichter Gischt in der Nacht über uns hinweg, so dass ich nach kurzer Zeit alleine auf dem Deck bin. Das soll dann auch die folgenden Nächte so bleiben. Hat man sich einmal an die Windböen und den Klang berstender Zeltstangen gewöhnt (das hab ich eh noch nie verstanden: Zelten auf dem Deck einer Fähre!?), dann gibt es tatsächlich kaum etwas Schöneres als unterm freien Himmel zu schlafen und vom Wellengang in den Schlaf gewogen zu werden. Ohne Ironie! Selten habe ich so gut geschlafen. Und irgendwann werde ich sanft wachgeküsst…oder weniger romantisch ausgedrückt: Eine Windböe verfrachtet einen Liegestuhl auf mich. Das sind dann die Momente, in denen man sich die Alaska-Packliste zurückwünscht: Jetzt ne Axt! Aber ein einfacher Sidekick tut’s ja auch. Jetzt weiß ich, woher die zerbrochenen Liegestühle kommen. Nach dem Morgensport erst mal ein vernünftiges Frühstück. Die Fähre fährt teilweise in direkter Nähe zum Ufer entlang. Dabei sehe ich dann zwei Bären beim Frühstücken. Während ich meinen Toast fein säuberlich zerteile, machen sie es ähnlich mit nem Baumstamm. Man wünscht sich gegenseitig nen schönen Tag und das wird es dann auch.

Man bestaunt die Landschaft, die sich anfangs hinter dichtesten Nebelbänken versteckt, aber irgendwann ist die Sonne stärker und die kanadische Natur präsentiert sich von der schönsten Seite. Und dann geht’s auf Waljagd. Sachte, sachte! Natürlich nur mit Kameras. Es ist das erste Mal überhaupt für mich, Wale live zu sehen. Und dann gleich diese Menge! Einfach nur fantastisch. Ein …. äh (anstatt „….“ sollte da der Fachname der Walart stehen, aber will mir grad nicht einfallen) also so ein großer grauer Wal fährt direkt vor uns senkrecht hoch, lässt sich seitlich fallen und streckt dann seine Schwanzflosse raus. Zum Abschied winkt er uns mit der Seitenflosse. Zugegeben: Die können das. Würde ich das versuchen, würde das nicht so viele Schaulustige heranziehen. Vorsichtig abgeschätzt.

Kurzum ist es der perfekte Start für diese Tour. Entspannung pur und auch wenn man gefühlt ewig unterwegs ist, hat man ständig etwas zu bewundern. Sei es die Landschaft, die ruhigen Riesen der Meere oder die unruhigen Massen mit ihren Gebrechen an der Essensausgabe.


Eigentlich sollte Ketchikan mein Zwischenstopphafen sein. Also runter von der Fähre, nen Tag warten, auf die nächste Fähre rauf und dann weiter nach Haines, da es hieß, dass es bis zum Ende des Jahres nach Whittier keine freien Fahrzeugplätze mehr gäbe. So. Das muss man natürlich akzeptieren, wenn es einem so mehrfach kommuniziert wird. Aber man kann ja nochmal nachfragen 🙂

Also runter von der Fähre, ab ins Terminal, bissl quatschen wie toll Ketchikan ist (ich hab ja schon sooo viel gesehen), dumm stellen und fragen. Und schwupps hab ich nen Platz. Motorräder passen immer irgendwo noch rein. Dadurch spare ich mir knapp zwei Tage ein, die ich anderweitig sicherlich besser nutzen kann. Da es bis zur Beladung noch etwas dauert, fahre ich in die Innenstadt, um mir Ketchikan näher zu betrachten. Tatsächlich ne richtig nette Stadt, das kleine Örtchen im Süden Alaskas. Da habe ich ja zuvor beim Fährplatz ergattern gar nicht mal gelogen.







Noch ein bissl die Küstenstraße rauf und runter und schon geht’s wieder auf die Fähre. Weiter geht’s nach Juneau. Es wird ein Sonnentag am Sonnendeck. Ab und zu unterbrochen von gesichteten Walen und so manch netter Unterhaltung mit anderen Reisenden. Früh morgens summt uns der Kapitän aus dem Schlummerland, um die Ankunft in der Hauptstadt Alaskas anzukündigen. Ich hol mir erst mal nen Kaffee. Bloß kein Stress…denn ohne mich kommt keiner rauf oder runter, da mein Motorrad direkt vor der Rampe steht. Ok, vielleicht ein bissl Stress. Man will es sich ja nicht verscherzen. Also eile ich hinab, um die Gelegenheit des Umparkens zur Besichtigung der Stadt gleich mal nutzen zu können. Naja, ist wohl eher ein guter Ausgangspunkt für Wanderungen und Tagesausflüge zu nahegelegenen Gletschern. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, wenn man sie so nennen mag, sind in wenigen Minuten abspaziert.



Unter der Annahme, dass es nun nach Whittier geht, plane ich direkt nach Ankunft auf der Fähre schon meinen ersten Tag mit dem Motorrad in Alaska, jedoch gibt’s doch noch nen Zwischenstopp in Yakutat, einem verschlafenen Fischerstädtchen am Golf von Alaska. Also noch einmal öfter schlafen, bevor es unter eigener Regie weiter geht. 

Als wir anlanden ist es früh morgens und es ist keine Menschenseele auf den Straßen zu erblicken. Allerdings auch keine Bärenseele, die angeblich nachts die Straßen der Ortschaft beherrschen. Ich mache mich trotzdem sicherheitshalber erst mal zu dem kleinen Café in der Nähe des Hafens auf, um mir einen kräftigen schwarzen Morgentrunk zu besorgen. Soso, laut Tafel haben sie hier auch nen original Cappuccino. Das will ich wissen und ordere mir gleich mal einen. Die Motorradjacke zieht neugierige Blicke auf sich und ich bin in ein Gespräch verwickelt, zu dessen Schluss ich auf den Cappuccino eingeladen bin und den Weg zur einzigen Sehenswürdigkeit des Ortes gezeigt bekomme. Mit dem Cappuccinobecher bewaffnet mache ich mich früh morgens auf durch die nächtlichen Bärenreviere und entdecke die seit knapp 50 Jahren stillgelegte Lachseisenbahn. Ich würdige ihren jahrzehntelangen Einsatz, u.a. auch für die US Army, mit ein paar Bildern, wobei die Morgensonne mich tatkräftig unterstützt und das alte Eisen gekonnt in Szene setzt. 


Der für zwei Stunden angesetzte Landausflug ist dann schon nach ner dreiviertel Stunde um, aber war dank der freundlichen Menschen und des ganz passablen Cappuccinos deutlich besser als vermutet. 

Zurück auf der Fähre packe ich schon mal soweit wie möglich mein Motorrad, da es um 2h morgens vom Boot geht. Das ist schon nervig genug, da will ich nicht auch noch packen müssen. Außerdem wäre es bestimmt angebracht etwas vorzuschlafen. 

Unterwegs treffen wir auf Regen, den wir aus unerfindlichen Gründen mit nach Whittier nehmen. Hoffentlich findet der keinen Gefallen an mir…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert