Eigentlich wollte ich nach der etwas längeren Nacht unterm Nordlichthimmel den Tag in Ruhe begehen, aber ein Blick auf die Wetter-App änderte dann spontan meinen Plan: Heute noch schön, aber die nächsten Tage dann Gewitter. Manchmal ist man sehr leicht zu überzeugen und ich pack meine Sachen, auch wenn ich mich in Yellowknife äußerst wohl fühle. Unterwegs kommt mir dann wieder etwas dazwischen, weswegen ich mein kurzfristig gesetztes Tagesziel doch nicht erreiche.
Es sind zwei atemberaubende Wasserfälle: Louise Falls und Alexandra Falls inmitten vom Nirgendwo. Der Tankwart bei Enterprise gibt mir dann noch ein paar Tipps, die ich selbstverständlich noch auskundschafte. So komme ich beide Male direkt zu den herabstürzenden Wassermassen und so mancher grandiosen, wenn auch teilweise schwindelerregenden Aussicht.
Das Klettern an den Klippen dauert länger als vermutet, weswegen ich der Einladung des Sonnenuntergangs folge und den Tag in Ruhe oberhalb des Hay Rivers ausklingen lasse, anstatt durch die Nacht bis zur nächsten Stadt „High Level“ zu fahren. Morgen ist auch noch ein Tag.
Und den starte ich recht früh. In High Level angekommen, gönne ich mir erst mal eine Kaffeepause, bei der ich spontan von zwei Männern angesprochen werde. Ihnen ist das in diesen Breitengraden doch nicht so gewöhnliche Reisemittel aufgefallen. Wir reden über meine Maschine, die Tour und ihr Leben…Letzteres dauert länger ist jedoch spannend zuzuhören. Einer ist seit über zwanzig Jahren Hubschrauberpilot für die waghalsigsten Aktionen und lädt mich auf einen Rundflug ein. Unglaublich…ich wurde schon zu verschiedensten Sachen bei meinen Motorradreisen eingeladen, was ich immer wieder faszinierend finde, wenn ich bedenke, dass ich doch nur ein Durchreisender bin. Alles Mögliche war schon dabei: Tee, Kaffee, Bier, Eis, Abendessen, Übernachtungen, Bustour, Fischen, Museumsführung in der Nacht…aber ein Hubschrauberrundflug kam mir noch nicht unter. Ich hadere lange mit mir, muss aber aufgrund der restlichen langen Strecke und der begrenzten Zeit schweren Herzens ablehnen.
Weiter geht es auf der ewig geraden Strecke, auf der man problemlos aus Stollenreifen Autoslicks machen kann… deren Ungeeignetheit für Regen ich dann auch spontan testen darf.
Innerhalb weniger Minuten zieht ein Unwetter auf, das von Regen über Hagel bis zu Gewittersturm das volle Programm zu bieten hat. Außer zwei Campingtrailer ist weit und breit auf der planen Fläche nichts zu sehen, wo ich mich unterstellen könnte…und biete auf meiner Maschine mit den höchsten Punkt im Umkreis von einigen Kilometern. Daher fahre ich zu den beiden Trailern und hoffe, dass ich etwas Schutz finde. Keine Ahnung ob es an meiner monströsen Figur oder am unerwartet elegantem Auftreten von „Beast“ im individuellen Fliegen-Schlamm-Kleid liegt, dass die Camper an Ehrfurcht erstarren und vor lauter Ergriffenheit ihre Türen von innen versperren.
So sitzen die Camper gut geschützt in ihren Trailern und beobachten aus ihren Fenstern wie ich unter einem Zeltvordach stehe und die Blitze paar hundert Meter von mir einschlagen sehe. Toll…oder so. Irgendwann ist das Schauspiel zu Ende und ich hieve meine Maschine aus dem zwischenzeitlich entstandenen Schlammfeld. Während ich weiter nach Dawson Creek fahre, wo der Alaskan Highway beginnt (aber für mich endet), male ich mir in den buntesten Farben aus, wie ein Hubschrauberrundflug bei dem Gewittersturm wohl gewesen wäre. Bestimmt atemberaubend… Naja, er hätte einfach nicht stattgefunden. Und mit diesem Gedanken tröste ich mich über die abgeschlagene Einladung hinweg.
Für das letzte Teilstück bis zur US Grenze wähle ich ein weiteres Highlight: entlang den Northern Rocky Mountains. Da ich die Strecke schon fünf Jahre zuvor mit meinem großen Brüderchen gefahren bin, ging ich davon aus, dass ich gewiss nicht mehr wie typische Touristen alle paar Minuten stehen bleiben muss, um irgendwelche Fotos zu machen. Gelächter! Irgendwann verstaue ich meine Kamera einfach nicht mehr, da ich sie ja in Kürze eh wieder zücken würde. Die Landschaft ist nicht von dieser Welt und ich kann mich an den unzähligen Bergen einfach nicht satt sehen. Erst weit nach Sonnenuntergang erreiche ich mein Nachtquartier.
Der kleine Grenzübergang in die USA sieht wohl nicht viele Grenzgänger und so warte ich einige Zeit, bis ich von den Zöllnern wahr genommen werde. Die Befragung gleicht dann auch mehr einen Plausch und wenige Momente später bin ich auf dem Weg nach Seattle. Den einen oder anderen Ort merke ich mir für spätere Wochenendausflüge, aber die Pausen reduziere ich auf ein Minimum, denn so langsam merke ich die knapp 10.000km, die ich in zweieinhalb Wochen runtergeritten bin und freue mich auf einen Ruhetag bevor es wieder in die Arbeit geht. Wenn alle Etappen annähernd so beeindruckend werden, wie diese hier, dann wird es schier unglaublich. Mal schauen…