Der Winter steht vor der Tür, aber laut Wetterbericht hat er in Salt Lake City schon eingesetzt. Was für ein Timing! Zwei Tage bevor ich in Salt Lake City mein Beast aufwecken möchte, schneit es. Hätte das nicht noch ein paar Tage warten können? Das kann ja heiter werden. Also packe ich meine Skiklamotten ein und steige in den Flieger. Kaum gelandet, begrüßt mich bitterkalte Luft, aber ich sehe zumindest keinen Schnee und kein Eis auf den Straßen. Noch nicht. Am nächsten Morgen erwartet mich ein perfekter Tag zum Skifahren: Blauer Himmel, Sonnenschein, Schnee auf den Bergen. Nur Skier habe ich keine mit. Also doch kein Skifahren und zurück zu meinem eigentlichen Plan: Motorradfahren! Also auf zum Lager! Dort küsse ich Beast wach, sprich: Ich schließe die Batterie wieder an, fülle etwas Öl nach, und packe alles zusammen.
Noch schnell zum Great Salt Lake und entgegen der eigentlichen Planungen, stelle ich mich nicht mehrere hundert Kilometer auf die Interstate, sondern versuche mein Glück etwas westlicher auf kleinen verschlafenen Straßen. Zwar komme ich nicht ganz so schnell voran als auf der Schnellstraße, aber dafür habe ich die Straße für mich allein und kann die schneebedeckten Berge von nicht allzu großer Ferne betrachten.
Mein Tagesziel, Springdale, direkt am Zion Nationalpark, erreiche ich zwar, allerdings erst kurz vor Sonnenuntergang, weswegen ich mich gleich beim blinden Zeltaufbau üben kann. Premiere für mich mit meinem neu erworbenen Zelt. Die Gestängeschlaufen sind farblich markiert. Hilfreich im Dunkeln. Nachdem ich unfreiwillig das Opernhaus von Sydney und anschließend die Pyramiden nachgebaut hatte, steht das Zelt wie es von den Planern erdacht war und ich mümmle mich in meinen dicken Schlafsack. Ich weiß noch, wie ich mich beim Kauf gefragt hatte, ob er nicht ein wenig überdimensioniert sei, da er auch für Temperaturen unter dem Gefrierpunkt vorgesehen ist. Nein. Er ist genau richtig. Bei jeder Übernachtung auf dieser Etappe fällt das Thermometer auf Minusgrade.
Ein heißer Kaffee hilft mir am nächsten Morgen aus den Federn und ich schwing mich auf’s Beast. Oh! Was merke ich da? Dem Beast ist kalt! Es braucht zwei Anlaufversuche bis sie vor sich hinschnurrt. Sei ihr gegönnt. Und ich gönn mir nun das volle Programm an Nationalparks! Zion Nationalpark, Bryce Canyon, Red Canyon, Glen Canyon (klingt wie ne chinesische Kopie des Grand Canyon, aber muss sich keinesfalls verstecken…sogar eher mein Favorit zwischen den beiden), Grand Staircase, Natural Bridges, Valley of Gods, Monument Valley. Ich bin geblitzdingst. Kein Scherz, aber das ist ne Reizüberflutung sondergleichen. Ich bin fix und alle nach den ersten beiden Tagen. Dabei kam Beast auch auf ihre Kosten. Wenn irgend möglich nahmen wir kleine Straßen und im Zweifel auch Dirt-Roads, sicherlich auch mit der Gefahr im Schnee zu landen. Aber der erwischte uns dann doch nur auf der Straße zum Bryce Canyon und unzählige Male neben der Strecke, aber das zählt nicht. Noch über einzelne kleine Eisflächen hinweggefahren, lande ich direkt in einer unübersichtlichen Kurve in einer nicht enden wollenden Eisfläche. Das Beast teilt mir sogleich unmissverständlich mit nem eleganten Hüftschwung mit, dass sie Spaß hat. Das ist ja schön für sie, aber ich kämpfe gerade noch damit, nicht die nächsten Meter in der Horizontalen entlangzuschlittern.
Geschafft. Durchatmen. Bryce Canyon von hier aus für atemberaubend erklären. Umdrehen. Und gut. Auf ner anderen Straße bekomme ich dann doch noch nen Blick auf den Canyon und muss feststellen, dass ich mit meiner zuvorigen Fernbewertung gar nicht so verkehrt lag.
Auf der Karte entdecke ich eine Verbindungsstrecke, Burr Trail, zwischen zwei Straßen, die ich gerne fahren würde. Allerdings ist die Strecke gestrichelt, was „Dirt-Road“ bedeutet. An sich kein Thema, aber da sie durch die Berge führt und auch als unterste Kategorie markiert ist, frag ich dann doch besser mal die Einheimischen. Große Augen des Entsetzens blicken mich an, als ich nach der Straße frage. Keine Chance! Ausgeschlossen! Schlamm! Schlick! Schlimm! Die Alternativstrecke geht auf über 3.000m Höhe mit Schneegarantie. Schnee? The Beast ist begeistert und kann sich nicht entscheiden…Schlamm? Schnee? Ja…versteh ich. Ich kann mich auch nie so recht zwischen Pest und Cholera entscheiden. Weiter in der Unterhaltung: Aber die Alternativstrecke ist bestimmt gesalzen. Äh…Salz!? Muss jetzt nicht unbedingt sein. Und dann fällt der Kommentar, der alles entscheidet: Die Maschine sei zu groß und zu schwer. Man kann ja über Beast sagen was man will, aber ne Dame als „zu groß und zu schwer“ zu bezeichnen, sollte man sich gut überlegen. Schön das ich das ausbaden darf. Wie gesagt, die Entscheidung ist gefallen. Nicht, dass ich sie getroffen hätte. Ich bin ab jetzt nur noch Deko auf der Maschine. Und es geht durch gröbsten Schotter, leichten Sand und kleinere Felsen ein paar Serpentinen entlang…kein Schlamm. Fast schade. Somit ein Kinderspiel. Was die Einheimischen nur haben? Gut…wenn man sich verbremst, hat man nen tollen Ausflug…für wenige Sekunden…und danach keine Sorgen mehr, aber dann lässt man das halt mit dem Verbremsen.
Bevor jetzt der ein oder andere seinen belehrenden Zeigefinger heben will mit dem Hinweis, man möge doch auf die Ratschläge der Einheimischen hören, nur der vollständigkeithalber: Zufälligerweise traf ich den verantwortlichen Ranger für das Gebiet an, der mir dringend zu der Strecke riet. Insbesondere mit der Maschine. Mein Hinweis, dass mir Einheimische davon abrieten, meinte er nur: Die können hier doch alle nicht richtig fahren.
In Bullfrog am Lake Powell stelle ich mein Zelt auf und freue mich auf ein ordentliches Abendessen nach dem letztlich doch etwas anstrengenden Tag, an dem ich weder Frühstück noch Mittagessen hatte. Leider schließt jedoch das einzige Lokal im Ort um vier Uhr nachmittags. Es ist aber schon 18h. Na gut…dann halt irgend ne Kleinigkeit vom Supermarkt. Schließt um 16:30h. Nächste Ortschaft ist 90km entfernt. Das wird heute nix mehr mit Abendessen. Dafür ist der Sternenhimmel atemberaubend! Kunststück: Es gibt ja so gut wie keine künstliche Beleuchtung hier…zumindest nicht von Supermärkten, Bars oder anderen Lokalen. Mit knurrendem Magen lege ich mich hin und verspreche mir ein Frühstück, das sämtliche Abendessen in den Schatten stellt. Soweit der Plan. Es sollte halt was auf haben. Weder in Bullfrog noch 90km weiter bequemt man sich, in der Früh irgendetwas zum Essen anzubieten. Zumindest nen Kaffee? Nein. Nicht hier. Nun gut. Dann lebe ich halt von Luft und Naturphänomenen. Da wäre zum Einen „The Valley of Gods“, in das ich standesgemäß mit der Göttin auf zwei Rädern hinunterrolle. Auch hier empfiehlt es sich, die Bremsen kontrolliert zu bedienen. Ansonsten blüht einem wie beim Burr Trail ein hervorragender Ausflug für ein paar Sekunden. Zwar ein paar mehr Sekunden, aber sicherlich nicht den Einsatz wert. Im Tal angekommen kämpfe ich mich teilweise durch etwas tieferen Sand, um den natürlichen Statuen etwas näher zu kommen. Kaum angehalten, um ein paar Fotos der scheinbar versinnbildlichten Götter zu machen, steht wer im Zentrum parat? Genau: The Beast. Selbsternannte Göttin unter den zu dicken, schweren Maschinen.
Am Mexican Hat vorbei, unterbreche ich meine unfreiwillig eingelegte fdemn-Diät (friss-doch-einfach-mal-nix) nach 42 Stunden (ja, ich habe mitgezählt) und atme einen Burger im Vorbeigehen ein. Endlich mal was Gesundes!
Als Nachtisch gönne ich mir Monument Valley. An dem Punkt, wo Forest Gump seinen Lauf abbrach und umdrehte, hielt ich kurz inne…und fuhr weiter. Denn: Meine Reise ist noch lange nicht vorbei!