Nach dem Feuerwerk der Sehenswürdigkeiten in den ersten Tagen, kehrt etwas mehr Ruhe ein. Nichtsdestotrotz ist der weitere Reiseverlauf alles andere als langweilig. Die Strecken wähle ich weiterhin nach Empfehlungen für Motorradfahrer aus und taste mich langsam aber sicher dem Etappenziel ran. Wetter spielt mit. Die Straßen sind nahezu leer. Alles läuft nach Plan. Und dann ist da plötzlich das Telefonat mit der Heimat…Ich sitze nichts Böses ahnend vor nem Saloon und gönne mir ne Spezialität des Hauses, um nicht wieder annähernd so lange auf ne Mahlzeit warten zu müssen als zwei Tage zuvor, als ich auf einmal die Nachricht erhielt, ob ich Zeit für ein Telefonat habe. Ja hab ich. Erst mal ein bissl verrauscht, aber dann habe ich ne richtige Stelle für ausreichend guten Empfang in der Ödnis ausgemacht und nach kurzer Zeit ist klar, dass eine unerwartete (positive) Überraschung ansteht. Mehr kann ich aber aktuell nicht verraten!
Nicht allzu weit entfernt von meinem Rastplatz befinden sich ehemals bewohnte Höhlen. Ein Bild davon hatte ich zuvor in ner Rangerstation knapp 1.000km entfernt gesehen, aber hatte meinen geplanten Routenverlauf anders in Erinnerung, weswegen ich nicht davon ausging, die teilweise bebauten Höhlen in echt zu sehen, obwohl es mich sehr interessierte. Und jetzt stehe ich direkt davor: Gila Cliff Dwellings. Ein Ranger erklärt Touristen, wofür die einzelnen Räumlichkeiten genutzt wurden. Ich lausche von der Ferne und mache mich selbst auf Erkundungstour…so Touristengruppen schrecken mich ja ab. Demnach hat eine Generation von Indianern, die nicht aus der Region stammten, die Höhlen vor über 700 Jahren bewohnt und verschwanden wieder in kürzester Zeit.
Während ich auf einer (modernen) Holzleiter klettere, ruft mir der Ranger zu, ich solle mich nach rechts drehen, denn dann würde ich alte Graffiti sehen. Tatsächlich…eine Eidechse (Foto folgt) ist in roter Farbe recht weit oben an der Außenwand über einem Höhlenloch angemalt. Es folgt eine Erklärung wofür das stehen könnte…Geschichten, Geister, usw. Für mich sieht das eher nach ner Speisekarte von nem Imbiss aus. „Heute im Angebot: Rote Eidechse, plattgedrückt. Mach ein Menü daraus!“
Weiter geht’s Richtung Osten zur Ortschaft „Truth or Consequences“, was auch der Name einer ehemaligen US Radiospielsendung war…und vom Titel her ein wenig an das Pubertätsspiel „Wahrheit oder Pflicht“ erinnert. Es ist wohl die entscheidende Frage, was sich wonach benannt hat: Das Spiel nach der Ortschaft oder umgekehrt? … Wir sind in Amerika! Natürlich die Ortschaft nach dem Spiel (siehe Bild mit Erklärtafel).
Jetzt würde ich allzu gerne schnurstracks gen Osten durch die anstehende Bergkette fahren. Es gibt laut Karte auch ne kleine Straße, aber auch ein kleines Problem, das sich nennt: White Sands Missile Range. Aber zumindest laut Karte ist es kein Sperrgebiet. Aus persönlicher Erfahrung im Militär weiß ich aber, dass man besser fernbleibt, wo es raucht und knallt. Also frage ich die Einheimischen. Wird mein neuer Zeitvertreib. Der Endteenager, der sich seine extra Portion Cola in der Tankstelle verdient weiß nichts von ner Straße durch die Berge. Welche Straße? Welche Berge?? Kuckst Du aus Fenster: Tattaa! Berge!! Ein älterer Herr kann das Elend nicht weiter mit verfolgen und nimmt sich meiner an. Tatsächlich ist es ein Sperrgebiet. Somit muss ich die Bergkette umfahren, was mich letztlich zwei Stunden kostet. In der Nacht komme ich leicht fröstelnd bei Minusgraden bei meinem Tagesziel an. Eine Westernbar ist jetzt genau das Richtige zum Aufwärmen und um etwas zu Essen zu bekommen. Ich habe ein Déjà vu…kein Abendessen, denn der Koch mag nimmer…und richtig: Am nächsten Morgen werde ich auch kein Frühstück bekommen, weil Thanksgiving ist und nahezu alles zu hat. Bevor es in die Festivitäten des nahezu wichtigsten Feiertages der USA kommt, noch ein schneller Abstecher zu den „Sitting Bull Falls“, die eher beschaulich, aber trotzdem ganz nett sind.
Dort treffe ich auf Mike, einen Medienjournalisten, und Nathan, ein Photograph auf Selbstfindung. Viel zu lange quatschen wir über unsere Touren, Erfahrungen und Erlebnisse. Mein Tagesziel erreiche ich daher nicht mehr, sondern lande in Odessa, Texas, wo ich den Plan, mein Zelt aufzustellen, aufgrund des penetranten Ölgestanks verwerfe. Es ist ja immer noch Thanksgiving und bevor ich meine fdemn-Diät vom letzten Mal überbiete, fahre ich das nächste Lokal an. Schön brav warte ich in der Schlange, der Familienlosen oder Kochverweigerer, als mich auf einmal ein Ehepaar anspricht und wissen will, ob ich mit dem Motorrad unterwegs sei, woher ich komm und was ich so mach. Es ergibt sich ein längeres sehr nettes Gespräch, an dessen Ende ich, sicherlich auch Thanksgiving sei Dank, zum Essen eingeladen werde. Ich versuche mich ne zeitlang dagegen zu wehren, denn das braucht’s wirklich nicht, aber es ist ihnen wichtig und ich hatte tags zuvor schon eine Einladung zu einem „Native-Event“ absagen müssen, bei denen sich nur Indianer des Stammes treffen, um ihre alten Tänze zu tanzen (ach, wäre ich da gern hingegangen, aber es passte nicht annähernd zu meinem Reiseplan) und so genieße ich in der Fremde, bei einem fremden Feiertag, von Fremden eingeladen, das obligatorische Truthahngericht. Auch das ist Amerika.
Weiter geht es am nächsten Tag auf verlassenen Straßen, da der Black Friday alle Leute schon zu nächtlichen Stunden zu den Outlets zieht, tiefer hinein in Texas. Eine alte spanische Burgruine bringt etwas Abwechslung in die doch etwas öde Tagestour.
Nur geradeaus bei immer gleichem Bild ist halt auf Dauer nicht so der Bringer: Steppe mit Ölförderpumpen. Nach mehreren Stunden werden die Ölförderpumpen weniger und die klassischen Old School Windräder kommen ins Spiel.
Bevor es den entscheidenden Schlenker Richtung mexikanischer Grenze gibt, fahre ich durch Hill Country, „dem eigentlichen Texas“, wie es oft heißt. Nett zu fahren, typische Ranches mit Rindern und Pferden und jede Menge Motorradfahrern unterwegs. Aber ich werde nur geduldet, da ich wohl die falsche Motorradmarke fahre. Bestenfalls gibt’s nen zögerlichen Motorradfahrergruß oder ein Hello an der Tankstelle, ansonsten ist Ignorieren angesagt. Auch von den Sheriffs. Mehrfach werde ich für ne Meile von der Exekutive verfolgt, um dann mit großem Paniklicht links (bzw. rechts) liegen gelassen zu werden. Zumindest an dem Tag waren Sie wohl nur auf Harleyfahrer aus.
Achja, Weihnachten steht vor der Tür, daher gibt’s auch nen Weihnachtsmarkt. Zwar ohne Glühwein (schade…es hat doch nur 23°…Celsius), aber dafür mit markigen Sprüchen bzgl. God, Guns and Love (leider kein Foto davon gemacht).
Der Etappenzielsprint ist unspektakulär. Es geht auf leeren Straßen geradeaus nach Laredo, wo ich mir ein kleines Lager für Beast miete. Es ist unglaublich warm und merke, dass ich für diese hochsommerlichen Temperaturen nicht vorbereitet bin. Die Skiklamotten kommen wieder mit. Hoffentlich brauch ich sie sobald auf der Tour nicht mehr. Dann geht’s zum „Dorfflughafen“, wo es exakt zwei Schalter zum Einchecken gibt.
Das war’s mit der dritten Etappe, deren Anfang mit den unglaublichen Nationalparks mich noch immer bewegt. In nicht allzu langer Zeit, soll’s dann auch wieder weiter gehen auf dem Weg bis zum Ende der Straßen.