Etappe 4: San Pedro Sula – San Salvador – El Zonte – La Esperanza – Estelí – Managua – San José: Mit Vollgas entschleunigen

Die meiste Zeit auf der Panamericana Tour war ich allein unterwegs, auch wenn man nie wirklich allein ist, da man ständig Gleichgesinnte oder Interessierte unterwegs antrifft. Trotzdem ist nun die Umstellung innerhalb der Etappe von zu zweit auf allein doch eigenartig. Innerhalb kurzer Zeit hat man einen gemeinsamen Rhythmus gefunden und jeder hatte sich um gewisse Aufgaben gekümmert, ohne dass man das groß besprechen musste. Hat halt einfach gepasst. Und jetzt liegt’s allein bei mir.


Abgesehen von den organisatorischen Umstellungen fehlt einem nun mal so ein toller Mensch, wie SJ ist, nach solch einer gemeinsamen Tour: Die wunderbaren Gespräche, eine andere Herangehensweise und im Zweifel einfach nur ein gewisser Blick für Details oder ein Lächeln, das einen kleinen aufkommenden Ärger über unfreundliche Mitmenschen im Nichts verschwinden lässt.

Jetzt geht’s also alleine weiter durch Zentralamerika. Das Wetter in Nordhonduras ist schlecht. Es regnet täglich schauerartig und es sieht nicht nach Besserung aus. Daher beschließe ich Richtung Süden nach El Salvador aufzubrechen, um etwas Sonne zu tanken und den einen oder anderen Strandtag einzulegen. The Beast braucht auch etwas Pflege, was sich bei trockenen Verhältnissen leichter bewerkstelligen lässt als bei Regen.

Der Weg zur Grenze nach El Salvador geht über ein paar Berge und je weiter man fährt, desto weniger ist auf den Straßen los. Irgendwann gewinne ich den Eindruck, dass ich mich verfahren haben muss, da ich schon seit längerer Zeit kein einziges Fahrzeug mehr gesehen habe, aber die Karte besagt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Und zumindest bin ich insoweit nicht allein auf der Straße, da sich gelegentlich Rinderherden darauf befinden. Wie es sich für eine Straße gehört, die offensichtlich wenig genutzt wird, lässt dann auch der Zustand zu wünschen übrig. Somit geht es auf unbefestigten Straßen entlang und die Flüsse werden direkt durchquert. Erinnert mich ein wenig an die Mongolei, wenn es auch deutlich weniger spektakulär hier zugeht, da die Wegführung durch die Flüsse…naja, eher Bäche… vorgegeben sind und keine Überraschungen à la Felsen unter Wasser vorhanden sind. Somit nimmt man es als kleine Abwechslung auf dem langen Weg, der zwar schöne Natur aber ansonsten wenig zu bieten hat. In absehbarer Zeit wird sich das aber auch ändern, da intensiv an der Straße gebaut wird und einige Brücken im Entstehen sind.




Die Einreise nach El Salvador ist zwar auch gewöhnungsbedürftig (es gibt gegen Bezahlung Wartepersonen, die sich für einen in die unzähligen Warteschlangen vor den verschiedenen Schaltern stellen, damit man schneller durch kommt), aber nicht ganz so dubios wie die Einreise nach Guatemala (wird später nur noch durch die Ausreise aus Nicaragua getoppt).

Das ganze Prozedere dauert einfach. Letztlich muss man ein paar Stunden für den Grenzübertritt einkalkulieren. Zumindest erhasche ich noch vor Sonnenuntergang einen Blick in die Landschaft El Salvadors.

Da es Freitag Abend ist, will ich etwas Nachtleben in einer Großstadt erleben, daher mache ich einen Zwischenstopp in San Salvador. Ich habe ein Déjà Vu: Es ist nichts los! Die Straßen sind wie leergefegt. War es in Mexiko City noch nachvollziehbar, da ja Weihnachten war, weiß ich bis heute nicht, was in San Salvador los war. Ich war in den „angesagten“ Vierteln bei den empfohlenen Lokalen, aber es herrschte mitten in der Nacht nur gähnende Leere. Also früh ins Bett und früh wieder raus Richtung Küste nach El Zonte. Dort stell ich mein Zelt in Strandnähe auf und gönne mir etwas Auszeit, um auch das bislang Erlebte Revue passieren zu lassen. Klingt nach nem Luxusproblem: Man sieht und erlebt einfach „zu viel“ in kurzer Zeit. Man braucht dann den einen oder anderen Tag, um wieder aufnahmebereit zu sein.

Und das gelingt hier definitiv sehr gut.







Kurzzeitig überlege ich mir sogar, mal Wellenreiten auszuprobieren, da der Strandabschnitt als Paradies für Anfänger gilt, aber ich belass es dann beim unfachkundlichen Beobachten. Nebenbei kümmere ich mich um die Maschine: Neue Zündkerzen, Ölwechsel, Schrauben nachziehen und etwas reinigen. Trotz intensiver Analyse finde ich aber nicht die Ursache für die zeitweisen Aussetzer, die The Beast beim starken Beschleunigen seit Beginn der Etappe hat. Letztlich werde ich sie am Ende der Etappe bei BMW San José in Costa Rica abgeben. Die Mechaniker werden zum Zeitpunkt, als ich das hier schrieb, nach zwei Tagen Analyse ebenfalls die Ursache noch nicht gefunden haben. Hoffentlich ist es nichts Gravierendes.

Aber erst mal wieder zurück nach El Salvador. Nachdem ich ausreichend Strandluft geschnuppert habe, fahre ich die Ruta de las Flores (nett, aber überbewertet; die Gleichnamige Strecke in Honduras ist um ein Vielfaches besser) und schlendere durch die kleinen Märkte der Städte direkt an der Strecke. Für Reisende geradezu ideal gibt es an den Ständen schon geschnittenes Obst in Portionsgrößen. Wird mein bis dahin gesündestes Frühstück…wenn da nicht der vorgesüßte und überzuckerte Kaffee gewesen wäre.




Gestärkt geht es nach Honduras in die Berge. In La Esperanza, im Herzen des Kaffeeanbaugebietes des Landes will ich mich den Kaffeegenüssen hingeben, aber so wirklich wird da nichts draus. Es gibt entweder Kaffee oder keinen Kaffee. Mehr wird da nicht unterschieden. Also gibt’s halt Kaffee. Keine Ahnung ob es überhaupt einer aus der Region war. Noch ein paar Runden durch die Straßen der Stadt und weiter nach Nicaragua. Die Beamten bekleckern sich nicht mit Ruhm. Sie kennen die Visa-Vorschriften nicht und behaupten, dass ich meine Einreise eine Woche vorher hätte schriftlich ankündigen müssen. Ich zeige ihnen die Infoseite der Botschaft, wo halt genau etwas anderes steht, aber sie brauchen erst mal die Zustimmung vom Ministerium…sagen sie. Womöglich war es nur ein Versuch, etwas mehr Taschengeld zu bekommen. Einem Touristenpärchen war das stundenlange Warten zu blöd, sie zücken einen größeren Dollarschein und fünf Minuten später haben sie den notwendigen Stempel im Reisepass. Darauf lass ich mich nicht ein. Dafür warte ich halt ne halbe Ewigkeit und schaffe es nicht bis nach Granada, was ich eigentlich geplant hatte. Meine Nachtfahrten will ich soweit es geht reduzieren. Ich habe nie wirklich den Eindruck gehabt, dass es nachts gefährlich wäre, wie so oft in Foren berichtet, aber man sieht halt einfach nix. Kurzum: Ich wähle Estelí für mein Nachtlager. Die ehemalige Rebellenstadt hätte ich ansonsten links liegen gelassen, aber gefiel mir deutlich besser als die hoch gelobte und zu Tode langweilige Stadt La Esperanza (no offense!). Bei morgendlichen kühlen Temperaturen geht es zum Städtedreieck Managua-Granada-Masaya. Innerhalb weniger Kilometer wird aus kühl einfach nur noch brütend heiß. Bevor ich in eines der drei Städte schaue, hänge ich meine Hängematte im Vulkan Apoyo auf, der mit Wasser gefüllt zum Laguna de Apoyo wurde. Das Wasser ist hier dann des Vulkans immer warm und mit irgendwelchen Zaubermineralien versetzt. Man fühlt sich zumindest nach nem Bad darin gleich um ein – zwei Tage jünger. Mindestens.

Bei einem Tierschutzprojekt komme ich unter (sie haben scheinbar dort wohl ein Herz für jede Art von Tieren). Über meinem Kopf klettern und springen in schwindelnder Höhe Affen verschiedenster Arten. Während ich meine Sachen sortiere, höre ich aber aus direkter Nähe Geräusche, die sicherlich nicht von einem wilden Affen kommen, da sie die Nähe zum Menschen scheuen. Ich entdecke einen Käfig, in dem ein Faultier „gefangen“ ist. Es hat aber einen Grund: Das Faultier wurde von Menschen misshandelt, so dass ihm ein Auge herausoperiert und ein Bein amputiert werden musste. Da fehlen einem, gelinde gesagt, einfach nur die Worte. Nun wird das ängstliche Tier im Käfig geschützt.

Abends geht’s zum Nachbarhostel. Eigentlich will ich nur schnell was essen, aber wie es der Zufall so will, ist Trivia-Abend und ich werde beinahe freiwillig einem Team zugewiesen. Trivia im Dschungel…nie davon gewagt zu träumen, aber wurde doch wahr. Am Ende gewinnen wir eine Flasche Rum, die beim Pétanque spielen geleert wird. Schließlich braucht man Zielwasser. Leicht verkatert krebse ich mit dem Hahnenkrähen aus meiner Hängematte und düse nach Granada.


Aber irgendwie sind mir hier zu viele Touristen. Also weiter nach Managua und unterm Sternenhimmel bis in die frühen Morgenstunden tanzen. Eigentlich sollte es danach dann auch gleich weiter gehen, aber irgendein Straßenessen oder verunreinigtes Wasser setzen mir nun ordentlich zu und ich liege etwas flach. Dank irgendwelcher Pillen aus der Apotheke geht’s aber nach zwei Tagen besser und ich verabschiede mich von Nicaragua. Noch schnell in Masaya vorbei schauen und los.





Durch die Zwangspause fehlt mir etwas Zeit, um Costa Rica in Ruhe zu bereisen. Außerdem gibt’s mehr offene Fragen bezüglich dem legalen Verbleib der Maschine im Land als Antworten. Daher einfach nur so schnell wie möglich rein ins Land und nach San José. Bei der Ausreise aus Nicaragua erlebe ich die schlimmste Prozedur überhaupt. Korruption aus dem Leerbuch. Beamte, die sich weigern, überhaupt die Papiere anzusehen, wenn man ihnen nicht etwas zusteckt. Schikanen an allen Ecken. Ewige Wartezeiten, um wieder zurück geschickt zu werden. Die „Helfer“, die anbieten, einen zu unterstützen, sind dabei sehr große Hilfen…für die korrupten Beamten.

In San José geht es direkt zu BMW Motorrad, denn die Motoraussetzer werden immer schlimmer. Eine brasilianische Motorradreisegruppe ist auch dort und wir tauschen Infos und Kontaktdaten aus. Abends geht’s dann mit zwei von ihnen, Marcio und Guy, zum Steakessen. Während mich alles über Südamerika interessiert, das sie bereits intensiv mit dem Motorrad bereist haben, wollen sie alles über Alaska und Kanada wissen. Der kurzweilige Abend reicht nicht aus für all die verschiedenen Geschichten und so werden wir sicherlich weiter in Kontakt bleiben.

Während ich auf das Analyseergebnis von BMW warte, erkunde ich etwas San José.



Letztlich wird die Maschine nicht bis zu meiner Abreise fertig und ich muss The Beast bis auf weiteres in der Werkstatt belassen. Naja, solange sie wieder fit ist, wenn ich zurück komme. Und ich komme zurück…das ist klar.

Über das verschneite Atlanta geht’s mit enormer Verspätung zurück nach Seattle, wo ich mich erst mal wieder an den Alltag gewöhnen muss.

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